Nachfeier in Auw


Auw ehrt seine Heilige –

Ein grossartiger Tag für das ganze Freiamt


Rund 1500 Personen – viele davon aus Lateinamerika – trafen sich zur Nachfeier zu Ehren von Mutter Maria Bernarda Bütler, die am 12. Oktober in Rom von Papst Benedikt XVI. heilig gesprochen wurde.
      Bischof Kurt Koch, konzelebriert von Weihbischof Denis Theurillat, hielt den Festgottesdienst, Weihbischof Roland Bernhard Trauffer fungierte als sprach-gewandter Übersetzer für die vielen spanisch sprechenden Gläubigen. Unter ihnen rund 300 Franziskaner Missionsschwestern von Maria Hilf aus Kolumbien, Brasilien, Kuba, Venezuela, Ecuador, Peru, Bolivien, aus den afrikanischen Tschad und Mali sowie aus Österreich und der Schweiz.
       Das Evangelium und seine Predigt standen unter dem Motto der Seligpreisungen Jesu. Und genau das passte zu Maria Bernarda. Sie hatte den Leitsatz: Das Evangelium ist mein Leitstern. Die Seligpreisungen beziehen sich auf die Ausgestossenen, die Verfolgten und Unterdrückten und auf die, die leiden müssen wegen ihres Glaubens. Diesen spricht Jesus seine Worte zu. Ihnen verheisst er gewissermassen ausgleichende Gerechtigkeit. Ihnen sagt er den Lohn einst im Himmel zu.
       Das Evangelium gehört zur Eucharistie. Und Eucharistie und Liebe zu den Armen gehören untrennbar zusammen. Eucharistisch denken ist die Vorstufe zum Himmel, drückte sich Bischof Kurt Koch aus. «So gesehen hat die heilige Maria Bernarda vorbildlich gelebt und sie wird uns das Licht von Gott weitergeben.»

Auw als geheiligtes Land
Abgeschlossen wurde die kirchliche Feier durch Ansprachen von Schwester Marinés Burin, der Generaloberin des Ordens der Franziskaner Missionsschwestern von Maria Hilf und von Bundesrätin Doris Leuthard. Burin änderte einen Bibelspruch sogar auf Auw ab: «Du Auw, geheiligtes Land, bist keinesfalls das Kleinste, weil aus dir ein grosses Licht hervorkommen soll».
Die Freiämterin in der Landesregierung meinte: «Was können wir aus dem Leben und Schaffen von Maria Bernarda lernen? Bescheidenheit; gelebte Solidarität; Wertschätzung statt Wertschöpfung um jeden Preis; Mut, aus gewohnten Mustern auszubrechen». Des weitern sagte Doris Leuthard: «Eine tragende Säule der Gesellschaft ist, wer in aller Bescheidenheit und ohne viel Aufhebens Tag für Tag seiner Arbeit nachgeht, für seine Familie sorgt, der Jugend Vorbild ist». Maria Bernarda hat einmal gesagt: «Ein weites Herz müsst ihr haben». «Sie hat damit im 19. Jahrhundert bereits so gehandelt, was für uns Menschen im 21. Jahrhundert als Vorbild dienen kann», meinte Leuthard abschliessend.

Überführung der Reliquie
Nach dem Gottesdienst wurde die Reliquie von Maria Bernarda (ein Teil eines Fussknochens) in die Pfarrkirche Auw überführt und dort in einem kleinen Seitenaltar eingelegt. Die weltliche Feier wurde durch Apéro, Bankett, viele Darbietungen und Grussworte von Nuntius Francesco Canalini, dem Vertreter des Vatikans in der Schweiz, die Aargauer Regierungsräte Brogli und Huber sowie Gemeindeammann Paul Leu bereichert. Ein Geschenk in Form eines Bildes des Sinser Künstlers René Villiger wurde abschliessend den Schwestern aus Kolumbien überreicht. Es wird in Cartagena einen Ehrenplatz finden und zukünftig die Wirkungsstätte der heiligen Maria Bernarda Bütler mit ihrem Heimatort untrennbar verbinden.

Es ist Zeit, mit dem Herzen zu sehen
       Landstatthalter und Regierungsrat Roland Brogli sieht in der Heiligsprechung von Maria Bernarda eine dreifache Bedeutung, nämlich eine geschichtliche, eine kirchliche und eine soziale. Geschichtlich erinnert sie uns daran, dass das Freiamt ein freiheit-licher Ort ist, wo starke Persönlichkeiten – wie Maria Bernarda Bütler – ihre Wurzeln haben. Kirchlich zeigt sie uns, dass wir nicht nur körperliche, sondern auch geistig-seelische Wesen sind und dass die Kirche diese geistig-seelische Heimat sein kann. Im Sozialen ruft die Heiligsprechung in Erinnerung, dass das wunderbare Wirken dieser Ordensfrau im Maria-Bernarda-Heim in Auw weiterlebt.
       «Wie wäre es, wenn wir alle uns wieder etwas mehr Zeit nehmen? Zeit, in der wir beginnen, mehr und mehr mit dem Herzen zu sehen. Maria Bernarda Bütler hat es uns vorgelebt. Ich lade Sie ein, diese Botschaft in Ihren persönlichen Alltag mit zu nehmen», führte Regierungsrat Brogli aus.
Zum Schluss hatte er noch die angenehme Aufgabe, die persönlichen Segenswünsche von Papst Benedikt XVI. zu übermitteln, der ihm dies bei einer Privataudienz am vorletzten Sonntag aufgetragen hatte.

Ziemlich geerdete Persönlichkeiten
«Heilige sind auch nur Menschen», sagte Bildungsdirektor Rainer Huber in seiner Ansprache. «Die beiden Schweizer Heiligen Niklaus von Flüe und Maria Bernarda Bütler passen gut zu uns. Es sind beide keine Glitzerfiguren oder Märtyrer. Beide erscheinen als ziemlich geerdete Persönlichkeiten. «Maria Bernarda ist eine Heilige, aber gleichzeitig war sie auch ein Mensch, der unter uns Menschen gelebt und gearbeitet hat. Sie ist eine Frau, die Grossartiges geleistet und bewirkt hat. Gleichzeitig ist sie aber auch ein Mensch, der wohl auch hie und da mit den eigenen, grossen Ansprüchen haderte oder Phasen der Überforderung kannte. Wird sie nicht auch gerade dadurch zu einem grossen Vorbild?» stellte Huber als Frage in den Raum.
       Gemeindeammann Paul Leu war es vorbehalten, das Schlusswort der Veranstaltung zu halten. Er ist sich durchaus bewusst, dass Auw, die schöne Gemeinde am Fusse des Lindenbergs, plötzlich im Fokus der halben Welt steht. «Das erfüllt mit Stolz, heisst aber auch, Verantwortung zu übernehmen», meinte Leu. Er durfte die Ankündigung machen, dass in Auw ein Besinnungsweg im Entstehen ist, den die Wallfahrer, die nach Auw kommen, benützen werden.
       Und natürlich dankte er allen Beteiligten, die sich in irgend einer Weise an der Pilgerreise und am Nachfest in Auw zur Verfügung gestellt hatten. «Miteinander, Füreinander» könnte als Motto der Heiligsprechung und als Motto der Gemeinde Auw durchaus seine Berechtigung haben.   (rc)